Damit verlassen wir jetzt den Barock und wenden uns dem 20. Jhd. zu. An der Decke gibt es vier grosse und vier kleine Fresken.
Bei der Renovierung 1920/21 war der Zustand der Deckengemälde so schlecht, dass man beschlossen hat, neue Fresken malen zu lassen. Dazu wurde der damalige Kunststudent Florian Bosch ausgewählt.
Florian Bosch wurde 1900 in Sauerlach bei München geboren; er hat 1917/24 Malerei in München studiert und ist 1972 in München gestorben. Er war Mitglied in der damaligen Münchener Secession und hat an vielen Ausstellungen teilgenommen. Er ist vor allem als Landschafts- und Bildnis-Maler bekannt. Die Münchner Secession ist nach der Historienmalerei entstanden im Übergang zum Jugendstil und zum Impressionismus, hat aber auch Elemente der Nazarenerschule in sich.
Florian Bosch hat zwei Jahre zur Vorbereitung der Fresken gebraucht, sodass die Kirche 1921 zunächst ohne Deckengemälde neu geweiht wurde. 1923 hat Florian Bosch dann in ein paar Monaten die Fresken gemalt, also als 23-jähriger Kunststudent. Man sieht seine Signatur im dritten großen Bild links unten; es ist etwas schlecht zu lesen, weil es deutsche Schrift ist.
Auf den Bildern sind damalige Kaufbeurer Bürger und Bürgerinnen dargestellt. Eine genaue Beschreibung findet man in der theologischen Führung.
1. Grosses Bild: Krieg
Der Reiter auf dem Pferd ist Florian Bosch selbst. Der Landwehrmann rechts mit dem Kind auf dem Arm ist der Kunstmäzen Johann Peter Wahl. Wahrscheinlich ist eine Meuterei dargestellt. Der Offizier schickt den Landwehrmann an die Front; dieser wehrt sich dagegen, indem er den Offizier mit dem Gewehr bedroht. Kaufbeuren war wohl ein Schwerpunkt der Meuterei am Ende des 1. Weltkriegs.
2. Grosses Bild: Gefallene
Man kann sehen, wie liebevoll sich die Engel um die Gefallenen kümmern; ganz oben ist die Dreifaltigkeit, die recht fassungslos dem Treiben in der Welt zuschaut.
3. Grosses Bild: Frieden
Links im Bild sieht man den Kirchturm von St. Martin in Kaufbeuren, im Hintergrund die Alpenkette mit dem Säuling in der Mitte. Das Bild hat also einen lokalen Bezug, wie das ja auch schon zu Barockzeiten üblich war.
4. Grosses Bild: Gethsemane
Jesus bekommt beim Gebet im Garten Gethsemane gezeigt, dass er sich opfern soll. Die Darstellung von Jesus ist eindeutig nazarenisch, während die 3 Jünger sehr an die Historienmalerei erinnern. Dieses Bild enthält also beide Stilelemente der Münchner Secession.
Das Bild hat einen Bezug zum Kruzifix auf dem Hauptaltar, wo Jesus geopfert wird; es hat aber auch einen Bezug zum Bild mit den Gefallenen, die ja auch geopfert wurden.
Man muss die Bilder von Florian Bosch für sich betrachten, denn ihre Farbgebung passt nicht so recht zu den Barock-Farben am Stuck. Für sich genommen sind sie aber ausgesprochen schön. Schauen Sie sich z.B. die Farben der Wolken an.
Kleine Heiligen-Bilder
Es gibt dann noch die 4 kleinen runden Bilder von Florian Bosch. Es sind Engel und Heilige, alle mit einem Schwert oder Spieß (also Soldaten). Drei von ihnen kämpfen mit Ungeheuern.
Das 1. Bild links ist der Erzengel Michael, der den Drachen bekämpft; der Drache hat ein richtiges Teufelsgesicht mit 2 Hörnern.
Gegenüber ist St. Georg als Ritter, der auch einen Drachen bekämpft.
Das nächste Bild links ist St. Martin, der sein Schwert nun zu friedlichen Zwecken benutzt, nämlich um sein Gewand mit dem Bettler zu teilen.
Das Bild gegenüber ist schwierig zu deuten. Ein Mensch wird von einer Schlange verschlungen, ein Ritter kämpft gegen die Schlange an. Ein ganz ähnliches Bild ist an der Basilika in Altenstadt bei Schongau am Westportal. Dr. Karl Pörnbacher hat als wahrscheinlichste Deutung dieses Motivs angegeben: die Schlange stellt das Böse dar, das den Menschen verschlingt; Christus (als Ritter) kämpft gegen das Böse und befreit so den Menschen. Angesichts von St. Dominkus als Kriegs-Gedächtnis-Kirche könnte es auch ein Held sein, der gegen den Krieg in Form eines Ungeheures kämpft, das die Menschen verschlingt.
Textüberarbeitung der Kirchenführung, Bilder, Gestaltung: Albin Wirbel, 20.09.2020
Hier weitere, sehr lohnenswerte Gedanken zu den Deckengemälden von
Stefan Dieter, Schriftleiter der "Kaufbeurer Schriftenreihe" (KSR).
Es ist die Ansprache anlässlich der Buchvorstellung
"Kaufbeuren und der Erste Weltkrieg" (KSR 20)
vom 17.09.2018
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Autorinnen und Autoren des 20. Bandes der Kaufbeurer Schriftenreihe,
lieber Herr Wirbel,
meine sehr verehrten Damen und Herren!
Zwischen 2014 und 2018 wurde in ganz Europa des Ersten Weltkriegs gedacht, der vor einhundert Jahren tobte. Während dieser Krieg in Großbritannien und Frankreich schon immer als „Großer Krieg“ im historischen Bewusstsein verankert war, wurde er in Deutschland lange Zeit vom Zweiten Weltkrieg und den Schrecken überlagert, die das nationalsozialistische Regime über Deutschland und Europa gebracht hatte. Dies führte häufig dazu, dass die Geschichte des Ersten Weltkriegs zu einer Vorgeschichte der Jahre 1933 bis 1945 reduziert wurde.
Das Gedenken anlässlich des 100. Jahrestags des Kriegsausbruchs bzw. -endes änderte diesen Blickwinkel. Der Erste Weltkrieg trat vermehrt als historische Epochenscheide ins kulturelle Gedächtnis: Die tiefgreifenden politischen und sozialen, ökonomischen und kulturellen Umwälzungen, die er mit sich brachte, wurden Gegenstand schier unzähliger Publikationen zum Thema. In der Vergangenheit vernachlässigte Aspekte des Ersten Weltkriegs rückten nun in den Mittelpunkt wissenschaftlicher Veröffentlichungen – beispielsweise hinsichtlich der Regional- und Lokalgeschichte. Dabei wurden die Auswirkungen des großen Krieges auf den kleinen Raum thematisiert, wodurch deutlich wurde, dass der Erste Weltkrieg einen tiefen historischen Einschnitt bis hinunter zur regionalen und lokalen Ebene bedeutete.
In Bezug auf Kaufbeuren verhält es sich nicht anders: Die in diesem Band versammelten Beiträge von Corinna Malek, Petra Schweizer-Martinschek, Christian Strobel und Werner Weirich verdeutlichen die Umbrüche und Wandlungen, die, je länger der Krieg andauerte, desto mehr das Leben der Menschen veränderten – unumkehrbar veränderten: Hatte doch fast jede Kaufbeurer Familie einen oder mehrere Verwandte beim Militär und häufig kehrten diese nicht mehr oder aber verwundet von den Schlachtfeldern zurück. Darüber hinaus sorgten an der „Heimatfront“ Hunger und Materialknappheit, soziale und politische Veränderungen oft genug für Not, Elend und Verzweiflung. Doch ich will nicht vorgreifen: Die Autorinnen und Autoren werden Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ihre Beiträge selbst im Einzelnen kurz vorstellen.
Lassen Sie mich vielmehr darauf eingehen, weswegen wir uns zu dieser Buchvorstellung gerade hier in der St. Dominikus-Kirche versammelt haben.
Seit dem Jahr 1921 dient dieses Gotteshaus als Gedenkstätte für die Toten des Ersten, danach auch des Zweiten Weltkriegs. Dementsprechend wurde die Kirche zu Beginn der 1920er Jahre ausgestaltet: Wenn Sie sich die Deckengemälde ansehen, so wird dies augenfällig. Die Bilder, die Sie sehen, wurden von dem damals recht bekannten Münchner Künstler Florian Bosch gemalt.
Das Bild über der Empore zeigt als Selbstbildnis den Künstler als Soldat auf einem Pferd, als weiteren Soldaten den Wirt der Gaststätte „Zum Schiff“ und Kunstmäzen, der ein Kind auf dem Arm hält. Auf seine Anregung hin nahm Florian Bosch Kaufbeurer Kinder und Persönlichkeiten als Modelle für die Personen dieser Kriegs- und Friedensbilder. Im Hintergrund ist eine Kriegsszene zu sehen.
Im Zentrum des mittleren Bildes befinden sich getötete Menschen, die lediglich mit einer Art Lendenschurz bekleidet sind und von Engeln umsorgt werden. Deshalb bleibt es unentschieden, ob es sich um gefallene Soldaten oder um im Krieg getötete Zivilisten handelt – vielleicht ist dies Absicht, denn der Krieg verschont niemanden. Von oben blickt die Hl. Dreifaltigkeit auf die Szene. Menschen, die Angehörige oder Bekannte durch den Krieg verloren hatten, spendet dieses Motiv Trost, denn sie durften ihre Toten bei Gott geborgen wissen.
Das große Bild vor dem Chorraum stellt den Frieden dar:
Links im Bild sieht man die Kirchtürme der katholischen St. Martins-Kirche und der evangelischen Dreifaltigkeitskirche in Kaufbeuren, ein schönes ökumenisches Zeichen, das der Maler da gesetzt hat, wie ich finde, im Hintergrund die Alpenkette.
Im Vordergrund befindet sich ein pflügender Bauer, rechts davon Frauen und Kinder. Eine Alltagsszene, die verdeutlich, dass der Friede im Kleinen beginnt, im stillen Glück des Alltags gewissermaßen.
Die Kirchenbesucher begeben sich also, wenn sie sich in der Kirche auf den Weg zum Altar machen, auf einen Weg, der vom Krieg zum Frieden führt – unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg leuchtete dies jedem ein. Und so konnten diese Bilder Trost und Hoffnung spenden.
Und heute?
Der Zweite Weltkrieg ist seit 73 Jahren vorüber, die militärischen Auseinandersetzungen finden fern von Deutschland statt. Doch ist ihre Zahl in den vergangenen Jahren gewachsen und ihre Folgen spüren auch wir in unserem Land unmittelbar: Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten suchen bei uns Schutz und Hoffnung. Die große Mehrheit unserer Gesellschaft ist bereit, ihnen zu helfen, sie mit dem Nötigsten zu versorgen und den Ärmsten von ihnen auch eine dauerhafte Perspektive in unserem Land zu bieten. Doch es gibt auch Menschen, die Angst haben vor den Fremden, die in unser Land kommen. Und eine gewissenlose Minderheit spielt mit diesen Ängsten, schürt den Hass und schreckt nicht vor Gewalt gegen andere – vorwiegend Fremde – zurück.
Da tut es gut, dass es Räume wie die Dominikus-Kirche gibt. Sie sind ein bleibendes Mahnmal für das tagtägliche Bemühen um Frieden. Und wie dieser Friede gelingen kann, macht dieses Gotteshaus ebenfalls deutlich: Seit etwa drei Jahren werden hier orientalisch-orthodoxe Gottesdienste veranstaltet, bei denen Christen aus den Fluchtgebieten eine geistliche Heimat finden können. So ist die Dominikus-Kirche, die lange Jahre von evangelischen und katholischen Christen gemeinsam benutzt wurde, zu einem Haus geworden, das für das Miteinander aller christlichen Glaubensrichtungen und der Menschen aus vielen Nationen steht.
Kann es einen besseren Ort geben für unsere heutige Buchpräsentation? Mahnt uns dieser Ort doch wie kaum sonst einer in Kaufbeuren daran, wie wichtig, aber gleichzeitig zerbrechlich der Friede ist. Die Erinnerung an das vergangene Leid, wie sie die Deckengemälde bewahren, und das Auftun unserer Türen und Herzen für Menschen in Not, wie es durch die Öffnung der Dominikus-Kirche für orientalische Christen geschehen ist, sind kleine, aber wichtige Schritte zum großen Frieden, den wir uns alle wünschen.
So bleibt mir zum Schluss nur noch, den für die Dominikus-Kirche Verantwortlichen für ihre Gastfreundschaft zu danken. Bei den Autorinnen und Autoren dieses Bandes der „Kaufbeurer Schriftenreihe“ bedanke ich mich ganz herzlich für ihre oft mühevolle, aber in jedem Fall ergiebige Arbeit. Großer Dank sei dem Verlegerehepaar Elisabeth und Josef Bauer für die wie immer äußerst harmonische und konstruktive Zusammenarbeit gesagt. Ohne die finanzielle Unterstützung der Stadt Kaufbeuren und des Heimatvereins Kaufbeuren hätte dieser Band nicht erscheinen können – auch dafür sei allen Verantwortlichen herzlich gedankt.
Uns allen wünsche ich noch einen angenehmen Abend. Vielen Dank.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Hervorhebungen und Bilder: Albin Wirbel
09.10.2020